UX/UI Design hat eine starke psychologische Komponente. Wissenschaft, Daten und Kunst spielen gemeinsam eine Rolle, wenn es darum geht, reibungslose und angenehme Benutzeroberflächen und Nutzererlebnisse zu gestalten. UX/UI Designer versuchen herauszufinden, was genau Nutzer fßr ein Produkt oder eine Dienstleistung begeistert und wie sie mit ihrem Design ein Gefßhl des Vertrauens vermitteln kÜnnen, um das Unternehmen zum Erfolg zu fßhren.
Marketingexperten wissen, welche Wortkombinationen Bilder und Emotionen hervorrufen kÜnnen. Ebenso nutzen Designer Webdesigns, Customer-Journey-Analysen und viele andere Tools und Hilfsmittel, um Nutzer zu gewinnen und zu begeistern und ihr Nutzererlebnis auf der Website oder in der App auf die nächste Stufe zu heben. Es ist jedoch eine Sache, zu versuchen, ein ansprechendes Erlebnis zu schaffen, und eine andere Sache, den Nutzer dazu zu verleiten, auf etwas zu klicken oder etwas zusätzlich zu seinem Warenkorb hinzuzufßgen, ohne es bewusst wahrzunehmen. Diese fragwßrdigen Taktiken nennt man Dark Patterns.
Was sind Dark Patterns?
Dark Patterns sind Benutzeroberflächen und Nutzererlebnisse, wie du sie auf Webseiten und in Apps findest, die absichtlich (d. h. mit voller Absicht!) so gestaltet sind, dass sie den Benutzer dazu verleiten, bestimmte Dinge zu tun, z. B. sich versehentlich fĂźr eine zusätzliche âVersicherungâ anzumelden, wenn er ein Erlebnis kauft. Sie kĂśnnen auch getarnte Werbung sein, d. h. Werbung, die nicht wie Werbung aussieht, damit der Benutzer darauf klickt.
Diese Taktiken gibt es nicht nur in der digitalen Welt. Dark Patterns gab es sozusagen schon immer: Ein einfaches Beispiel ist ein Kreditunternehmen, das einen gßnstigen Zinssatz verspricht, aber im Kleingedruckten zusätzliche Gebßhren versteckt.
Ehrlicherweise weiĂ jeder anspruchsvolle Nutzer, dass die meisten Webseiten und Apps darauf ausgelegt sind, Gewinn zu machen â es geht hier immer noch um das Geschäft und es ist nichts falsch daran, Waren und Leistungen zu verkaufen! Machen wir uns nichts vor, wenn es darum geht, was UX/UI Designer erreichen wollen: Ein ermutigendes, leicht verständliches und nahtloses Nutzererlebnis zu schaffen, nur, um genau diesem Nutzer einen Gefallen zu tun. Angenehme Webseiten und leicht navigierbare Verkaufstrichter helfen dabei, das Interesse des potenziellen Kunden zu wecken und zu erhalten, sodass die Kunden im gesamten Prozess nicht verloren gehen (sei es aufgrund von Verwirrung oder weil sie es als zu mĂźhsam empfanden, den Verkauf abzuschlieĂen).
Gute, sogenannte White (âWeiĂeâ) UX-UI versucht jedoch nicht, die Nutzer zu täuschen, damit sie den Unternehmen Impressions oder Geld geben, ohne dabei zu wissen, worauf sie sich eingelassen haben. Deshalb gelten Dark Patterns in der Welt von UX/UI als absolutes Tabu und als eine verdrehte Praxis, die Unternehmen einen schlechten Ruf fĂźr Unehrlichkeit und Fehlverhalten einbringen.
Einige Beispiele haben wir bereits genannt, wie getarnte Werbung oder das Einschleusen von Artikeln und Zusatzkosten in den Warenkorb durch das Verstecken von Opt-Out-Optionen. Das sind jedoch nur einige der am weitesten verbreiteten Dark Patterns, die heutzutage verwendet werden:
Forced Continuity (erzwungene Kontinuität)
Hast du jemals ein kostenloses Probeabonnement abgeschlossen, das nach seinem Ablauf automatisch zu einem Vollabonnement wurde, ohne dich darĂźber zu informieren, wann oder wie du das Abonnement kĂźndigen kannst, bevor es dir in Rechnung gestellt wird, oder ohne dir die KĂźndigungsoption anzuzeigen oder es dir erheblich zu erschweren, zu kĂźndigen, bevor das Probeabonnement ausläuft? Dich nicht rechtzeitig zu warnen, damit du dich entscheiden kannst, ob du bleiben mĂśchtest oder nicht, gilt als äuĂerst unethisch und viele bekannte Unternehmen haben sich dessen schuldig gemacht.
Roach Motel (âSchaben-Motelâ)
Dies bezeichnet eine Situation, in denen Unternehmen dir die MÜglichkeit geben, dich problemlos fßr Dienste oder Abonnements anzumelden, die Option zum Abmelden aber verbergen. In einigen Ländern ist es sogar gesetzlich vorgeschrieben, in jeder E-Mail die MÜglichkeit zur Abmeldung von Newslettern vorzusehen. Aber das war nicht immer der Fall. Vor nicht allzu langer Zeit sind einige Unternehmen sogar so weit gegangen, dass sie dich dazu aufgefordert haben, den Newsletter per Post abzubestellen!
Bait and Switch (KĂśdern und Wechseln)
Diese Lockvogeltaktik ist, wie das Wort âBaitâ (KĂśder) schon verrät, ein Versuch, den Nutzer dazu zu bringen, eine Sache zu tun, während er denkt, er tue etwas anderes. Ein Beispiel dafĂźr wäre, fĂźr einen Artikel zu werben, dem Käufer aber eine andere, qualitativ schlechtere Version des Artikels zu senden. Oder ein tolles Angebot zu machen, und den Nutzer dann zu informieren, dass der Artikel nicht verfĂźgbar ist und stattdessen die teurere Variante anzubieten.
Hidden Costs (versteckte Kosten)
Ein Unternehmen nutzt das Dark Pattern âHidden Costsâ (versteckte Kosten), wenn es unerklärte zusätzliche Kosten oder GebĂźhren auf deine Rechnung aufschlägt. Die Grenze beim HinzufĂźgen von Bearbeitungs- und VerarbeitungsgebĂźhren ist gerade beim Online-Handel nicht sehr klar, aber einige Unternehmen gehen hier zu weit. Wenn du die Versand- und Zusatzkosten erst dann siehst, wenn du den Einkaufsprozess durchlaufen, dich angemeldet und deine Adress- und Kontaktdaten angegeben hast, wird dieses Dark Pattern gegen dich verwendet.
Misdirection (IrrefĂźhrung)
Die sogenannte Irrefßhrung liegt dann vor, wenn Nutzer abgelenkt werden, um Aktionen hinter ihrem Rßcken durchzufßhren. Softwareinstallationsassistenten, die heimlich Antivirenprogramme und Navigationsleisten installieren oder die bevorzugte Suchmaschine des Nutzers ändern, sind ein Beispiel der Irrefßhrungstaktik, die vor einigen Jahren sehr beliebt war.
Price Comparison Prevention (Verhinderung von Preisvergleichen)
Manchmal versuchen Unternehmen, Vergleichswebseiten zu behindern, indem sie die Kosten fĂźr einen einzelnen Artikel nicht anzeigen, um einen Vergleich mit kostengĂźnstigeren Alternativen zu verhindern. Stattdessen verkaufen sie den Artikel in einem Paket, ohne den Einzelpreis anzugeben. Telefongesellschaften sind berĂźchtigt dafĂźr, dass sie Zusatzkosten verstecken und damit einen ehrlichen Wettbewerb verhindern.
Trick Questions (Trickfragen)
Dies ist der Fall, wenn Unternehmen dir Fragen zur Einwilligung stellen, die absichtlich verwirrend oder irrefĂźhrend formuliert sind, um dich dazu zu bringen, durch das Anklicken von Kästchen zu etwas zuzustimmen. Ein Beispiel wäre ein Unternehmen, das dich nicht bittet, ein Kästchen anzuklicken, um Werbeaktionen und Aktualisierungen zu erhalten (wie es sonst Ăźblich ist) â sondern dir auf verwirrende Art mitteilt, dass sie dich kontaktieren werden, wenn du dich nicht durch das Anklicken des Kästchens widersprichst.
Privacy Zuckering
Das Dark Pattern wurde nach Mark Zuckerberg selbst benannt und bezieht sich darauf, Nutzer dazu zu bringen, irrefĂźhrenden Datenschutzeinstellungen zuzustimmen, um sie dazu zu bringen, dem Unternehmen mehr Informationen Ăźber sich preiszugeben, als sie eigentlich denken. Im Zeitalter von Big Data wird diese Taktik eingesetzt, um verkaufbare Daten von Nutzern zu gewinnen â und ist deshalb in vielen Ländern durch Gesetze verboten.
Confirm-Shaming (Schuldzuweisung)
Confirm-Shaming liegt dann vor, wenn der Abmeldungsprozess eines Dienstes dich beschämt oder dir ein schlechtes Gewissen macht, weil du ihn verlassen hast. Es ist eine Sache, dir mitzuteilen, dass du dein Konto verlieren wirst, aber eine andere, dir zu sagen, dass es gemein von dir ist, das Unternehmen durch deine Abmeldung traurig zu machen!
Risiko vs. Nutzen: Warum Unternehmen Dark Patterns verwenden
Dark Patterns werden von Unternehmen genutzt, die nicht kundenorientiert arbeiten und nicht verstehen, dass es wichtiger ist, den Kunden ein positives Erlebnis zu bieten, als diese auszutricksen, damit sie dem Unternehmen zusätzliche EinkĂźnfte bescheren. Kunden kĂśnnen getäuscht werden, aber sie sind nicht dumm: Deshalb gibt es Bewertungswebsites. Dort ist garantiert, dass Unternehmen, die Dark Patterns benutzen, Bewertungen erhalten, in denen Nutzer andere vor diesen Taktiken warnen â wenn nicht sogar noch schlimmer! Das jeweilige Dark Pattern kĂśnnte illegal sein oder sehr bald werden, da die Gesetzgebung fĂźr das Netz in den vergangenen Jahren aufgeholt hat, und das Unternehmen kĂśnnte sogar eine Geldstrafe in MillionenhĂśhe erwarten!
Ein kundenorientierter Ansatz fĂźhrt immer zu langfristigem Erfolg, denn selbst mit dem ausgefeiltesten Produkt, der besten Marketingstrategie und dem besten Kundensupportsystem, wird dein bester FĂźrsprecher immer der zufriedene Kunde sein. BĂśswillige oder unethische Taktiken wie Dark Patterns fĂźhren zu kurzfristigen âGewinnenâ, langfristig aber zu Verlusten, da die Nutzer erkennen, dass die Unternehmen ihnen zu ihrem eigenen Vorteil schaden.
Wie du dein Design vor Dark Pattern schĂźtzen kannst
Ein UX/UI Designer ist in allererster Linie die Stimme des Kunden und sein FĂźrsprecher. Wenn du darum gebeten wirst, unethische Praktiken zu implementieren, die in den Bereich von Dark Patterns fallen, scheue dich nicht davor, deine Meinung zu äuĂern! Damit bewahrst du Nutzer vor schlechten Erfahrungen und vieles mehr: Du ersparst allen, innerhalb und auĂerhalb des Unternehmens, eine Menge Ărger. Und als ob das noch nicht genug wäre, schĂźtzt du auch deinen Ruf als Designer und leistest solide und gute Arbeit, die du immer mit Stolz in deinem Portfolio fĂźhren wirst.
FĂźr Menschen, die nicht viel Ăźber die Feinheit von UX wissen, scheinen Dark Patterns ein einfacher Weg zu sein â sie verstehen womĂśglich nicht, dass diese Praktiken auf lange Sicht tatsächlich zu schlechteren Ergebnissen fĂźhren. Um diesen Menschen das zu beweisen, kannst du A/B-Tests zu deinem Vorteil nutzen: Teste das Dark Pattern gegen eine bessere Option und nutze die Testdaten, um deinen Standpunkt so darzustellen, dass sie diesen nicht leugnen kĂśnnen!
Doch auch offensichtliche Daten reichen mĂśglicherweise nicht aus, um ein Unternehmen davon zu Ăźberzeugen, auf schlechte Praktiken zu verzichten. Wenn du fĂźr ein Unternehmen arbeitest, dass ständig solche schlechten EntwĂźrfe verlangt, die gegen deine Werte sprechen, ist es an der Zeit, sich nach einem neuen Job umzusehen. Schlechte Designs werfen ein negatives Licht auf dich als Designer, weshalb du nicht zulassen solltest, dass dein Portfolio durch das schlechte UrteilsvermĂśgen eines anderen âverdorbenâ wird. Wir garantieren dir, dass deine Integrität woanders sehr geschätzt wird (und wahrscheinlich auch besser bezahlt wird). FĂźr UX/UI Designer, die sich auskennen und kundenzentriert arbeiten, gibt es eine FĂźlle an MĂśglichkeiten.
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